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Maxi

Studieren mit psychischer Erkrankung

  • Unsichtbare Beeinträchtigung
  • Beratung
  • Erschöpfung
  • Trigger
Maxi

Über mich

Alter 29 Jahre
Hobbys Skaten und Naturfotografie
Studium Architektur im Master
Pronomen They / them

Hallo, mein Name ist Maxi und ich bin 29 Jahre alt. Ich studiere Architektur in Mannheim – und bin endlich auch im Master angekommen. Das war ein steiniger Weg. Ich wohne im Wohnheim in einer 4er WG, im Zimmer direkt neben Alex. Mit dem studier‘ ich auch.... In guten wie in schlechten Zeiten. Zusammen kriegen wir das irgendwie hin. Ich hab zwei Hobbies - das ist für mich ziemlich gut, weil lange Zeit nicht mal das mehr ging. Ich geh gerne Skaten. Nicht mit so schwierigen Tricks, aber ein paar Sachen krieg ich schon noch hin. Und ich fotografiere auch gerne – am liebsten Nester, Höhlen und Unterschlüpfe von Tieren. Diese Bauten inspirieren mich fürs Studium und hoffentlich auch mal für meinen Beruf. Ein großes Plus: Wenn ich fotografiere, bin ich draußen in der Natur unterwegs. Und das tut mir sehr gut.

Mein Studium ist nicht gerade sehr gradlinig verlaufen. Ich habe Depressionen und Angststörungen. Deshalb habe ich so lange gebraucht. Viele Zweitversuche, viele Semester mit nur zwei Kursen, die Frist für meine Bachelorarbeit musste ich auch verlängern. Zwischendrin war es so schlimm, dass ich ein Krankheitssemester nehmen musste. In der Zeit war ich auch in einer Tagesklinik. Das war ein richtiger Tiefpunkt für mich. Aber da habe ich immerhin auch Hilfe bekommen. Und aktuell geht es mir jetzt besser. Am Anfang des Semesters bin ich sogar zur Beauftragen für Menschen mit Beeinträchtigung gegangen. Jetzt habe ich einen Nachteilsausgleich für Prüfungen. Und auch einen individuellen Studienverlaufsplan. Das nimmt mir viel Druck weg.

Technologien und Strategien

Regelmäßige Pausen

Psychische Erkrankungen sind Beeinträchtigungen, die oft als solche nicht wahrgenommen werden, da Symptome für Außenstehende häufig nicht sichtbar sind. Die unterschiedlichen Symptome psychischer Erkrankungen – wie Konzentrations- und Schlafstörungen, oder auch soziale Ängste - können sich erheblich auf den (Studien-)Alltag von Studierenden auswirken. Depressionen beispielsweise können das Erinnerungsvermögen beeinträchtigen und somit die Lernleistung beeinflussen. Eine Strategie, um Erschöpfung und Belastungsgefühlen entgegenzuwirken, ist, regelmäßig Pausen einzubauen.

Tagesplan

Ein anderes Symptom von psychischen Erkrankungen, unter anderem auch bei Depressionen, kann eine Art „Lähmung“ sein. Die Person liegt beispielsweise im Bett und fühlt sich nicht in der Lage, aufzustehen und Zähne zu putzen oder andere alltägliche Aufgaben zu erledigen. Ein fester Tagesplan kann hier manchmal helfen.

Remote-Studium

Zudem kann es hilfreich sein, von zu Hause arbeiten oder studieren zu können. Die Einstiegshürde kann hier als geringer empfunden werden. Unter Umständen bringt das digitale Studieren aber auch eine unfreiwillige Isolation mit sich.

Probleme erkennen

Eine mögliche Strategie kann sein, sich die Krankheit einzugestehen und sich therapeutisch beraten zu lassen. Strategien können bei Therapeut*innen erlernt werden, sie sind sehr persönlich und schwer zu generalisieren. Termine bei Therapeut*innen sind schwer zu bekommen und nicht selten mit viel Wartezeit verbunden. So kann der Zugang zu einer offiziellen Diagnose und Medikamenten zusätzlich erschwert sein.

Ich habe herausgefunden, dass es mir hilft, dass ich für Vorlesungen zwar an die Hochschule gehe, aber Projektarbeiten mache ich dann doch lieber von zu Hause aus. Wenn andere dabei sind... Dann habe ich ganz oft komische Gedanken: Die können alles besser, die sind viel schneller, die sind viel schlauer. Oder ich habe das Gefühl, ich sag oder mach die ganze Zeit was Dummes. Zu Hause ist niemand da, der mir über die Schulter guckt. Das beruhigt mein Gedankenkarussell. Andererseits bin ich deswegen auch viel alleine und hab wenig Austausch. Und ich hab nicht so guten Kontakt zu den Leuten in meinem Studiengang.

Alex
Angststörung
Mitbewohner und Kommilitone
Alex

Hi, ich bin Alex, Maxis Mitbewohner und Freund und Studienkollege. Also wir machen alles zusammen. Ich habe eine Angststörung. Es gibt Phasen, da geht es mir ähnlich wie Maxi. Ich bin echt froh, dass Maxi und ich uns gefunden haben und so gut verstehen.

Meine Therapeutin hat mir spezielle Übungen beigebracht. Und ich hab' die immer wieder geübt, damit ich sie anwenden kann, wenn meine Gedanken außer Kontrolle geraten. Eine Übung ist zum Beispiel, alle Dinge aufzuzählen, die ich in dem Moment höre oder sehe. Das lenkt mich dann ab und idealerweise kann ich mich so selbst beruhigen.

Ja, solche Übungen kenn' ich auch. Ok, mittlerweile kennen die alle. Achtsamkeit ist ja Mainstream. Die Übungen helfen mir aber nicht. Wenn ich in einer depressiven Phase bin, schaffe ich das nicht... Oder die Übungen haben dann gar keinen Effekt. Es wäre ja auch ein bisschen einfach, wenn ich nur Sachen aufzählen müsste und – Puff! - meine Angst wäre einfach weg.

Alex
Angststörung
Mitbewohner und Kommilitone
Alex

Die Übungen sind ja auch nur ein Teil meiner Strategien. Ich nehme mittlerweile auch Medikamente, die mir helfen. Die haben leider Nebenwirkungen, aber es geht mir damit echt besser. Und zur Therapie gehe ich auch. Auf den Platz musste ich ganz schön lange warten.

Ich, Maxi, wollte schon immer mal sagen:

Vorderseite
Ich bin nicht faul und unzu­verlässig!

Lehrveranstaltungen

Einer Vorlesung über 90 Minuten aufmerksam zuzuhören, ist anstrengend. Konzentrations­schwierigkeiten, belastende Gedanken und Selbstzweifel machen es Menschen, die Depressionen haben, umso schwerer dem Gesagten zu folgen. Werden Vorlesungsfolien und Arbeitsmaterial frühzeitig online hochgeladen, hilft das bei einem klaren Zeitmanagement und kann den Druck nehmen, sich parallel ausführliche Notizen machen zu müssen.

Manchmal schaffe ich es einfach nicht, einer Vorlesung zu folgen. Es ist egal ob online oder in Präsenz. Ich kann mich dann einfach schlecht konzentrieren – Ich bemühe mich, aber das Gedankenkarussell kommt direkt dazwischen: Oh, jetzt hab ich die vorherige Folie verpasst, jetzt kenn' ich das Wort hier nicht, was hat die Dozentin gerade gesagt? Die Gedanken sind so lähmend. Ich schaffe es dann nicht, sie beiseite zu schieben und zuzuhören. Nichts, was die Dozentin sagt, bleibt dann hängen. Und in mir wächst die Panik. Dann schau ich mich um und ich sehe die anderen – die folgen mühelos der Vorlesung, machen Notizen und malen Skizzen. Und in mir kommt in Großbuchstaben die Frage, warum ich das nicht kann. Warum kann ich nicht mal in einer Vorlesung sitzen und einfach zuhören? Wenn es ganz schlimm wird .... Also, ich musste schon mal aus einer Vorlesung rausgehen. Sowas ist dann nur noch eine Bestätigung für mein schlechtes Selbstbild und füttert meine Angst, das Studium nicht zu schaffen. Wenn es mir richtig schlecht geht, schaffe ich nicht mal mehr den Weg zur Hochschule. Dann geht nur Decke anstarren und weinen. Warten, dass es vorbei geht.

Stehen Vorlesungen als Videos zum asynchronen Lernen zur Verfügung, können Pausen und Geschwindigkeit des Lernens individuell gewählt werden.

Klare Strukturen, sowohl auf Vorlesungsfolien, als auch im generellen Vorgehen während des Semesters – wie beispielsweise verbindliche Zeiten, zu denen Inhalte auf Plattformen hochgeladen werden (Infos zu Prüfungen, zu Teilnahme, ...) - geben Sicherheit und Vorhersehbarkeit. Das Setzen von „Trigger-Warnungen“ in Vorlesungsinhalten wird viel diskutiert. Generell gilt: Das Warnen vor Inhalten, die in dem Kontext eher nicht erwartet werden und starke Emotionen auslösen können, kann vielen Studierenden helfen und Sicherheit geben.

Die „Kamera-Problematik“: Das gezwungene Einschalten der Kamera in Online-Veranstaltungen kann für Menschen mit psychischen Erkrankungen eine große Hürde darstellen. Auf der anderen Seite können komplett ausgeschaltete Kameras und das Sitzen vor „schwarzen Kacheln“ sehr isolierend wirken. Die Anonymität kann sowohl positiv als auch negativ empfunden werden.

Letzte Woche erst hatte ich wieder so eine Situation. Ich hab meine Kamera dann einfach eingeschaltet. Gleichzeitig hab ich mir dann aber gedacht - Oh, jetzt können ja die anderen einfach das Bild von mir groß stellen. Oder Screenshots machen. Da hab ich mich direkt unwohl gefühlt. Mein Kopf hat dann entschieden, dass die das bestimmt machen. Obwohl ich ja auch irgendwie weiß, dass das nicht der Fall ist. Ich hab direkt Stress gekriegt.

Alex
Angststörung
Mitbewohner und Kommilitone
Alex

Und ich merke, wenn die Kamera bei Zoom zum Beispiel aus ist, dann mache ich halt alles andere nebenbei. Ich putz mein Zimmer. Ich gieß meine Blumen. Ich mach ein Puzzle. Merkt ja keiner. Allerdings merke ich dann auch, dass meine Konzentration komplett flöten ist und ich nichts mitgekriegt habe.

Es gibt also keine Musterlösung und eine Absprache mit Studierenden zu Beginn eines Semesters oder einer Veranstaltung kann Unsicherheiten nehmen. Ein sensibler Umgang mit Daten und eine vertrauensvolle Atmosphäre und individuelle Lösungen sind daher Voraussetzung für ein barrierefreies Lernen.

Lernmaterial

Klare Informationen zu Anforderungen und auch Prüfungsleistungen bei einer Teilnahme an einer Veranstaltung sind wichtig, um Unsicherheiten abzubauen. Sind beispielsweise Exkursionen geplant, wird eine besondere Form der Prüfungsleistung erwartet, werden Materialien immer zu einer bestimmten Zeit hochgeladen, hat diese Veranstaltung eine besondere Struktur, oder wird es unterschiedliche Lehrpersonen geben, sollte dies zu Beginn des Semesters kommuniziert werden.

Zusätzlich dazu sollten Kontaktmöglichkeiten und -zeiten zu den Lehrenden geklärt und zugänglich sein. Werden Materialien online und frühzeitig an einer zuvor kommunizierten Stelle hochgeladen, haben Studierende mit psychischen Erkrankungen die Möglichkeit, Lernphasen leichter zu planen und „gute“ Phasen auszunutzen.

Interaktion und Kommunikation

Lehrende sind in der Regel keine Therapeut*innen und sollten diese Rolle auch nicht übernehmen. Umso wichtiger ist es, dass klar kommuniziert wird, an wen sich Studierende mit psychischen Belastungen wenden können. So ist eine Auflistung von Kontaktpersonen – wie eine psycho-soziale Beratungsstelle und die Beauftragten für Studierende mit Beeinträchtigungen der Hochschule - beispielsweise auf der ersten Vorlesungsfolie oder an einem für alle zugänglichen Ort eine sinnvolle Unterstützung. Der Hinweis auf Beratungsstellen zeigt, dass Lehrende sich bewusst sind, dass es auch „unsichtbare“ Beeinträchtigungen gibt und diese genauso Unterstützung erfahren, wie „sichtbare“ Beeinträchtigungen.

Wenn ich mich... oder wenn ich meine Krankheit erklären will, dann mache ich mich ja quasi nackt. Das will keiner hören. Niemand will hören, dass ich in eine Klinik musste. Oder dass ich in einer depressiven Phase mehrere Tage nicht mal duschen oder das Haus verlassen konnte. Wie mies ich von mir selber denke und wie sehr mich das behindert. Und dass das Ganze auch irgendwie unerklärlich ist. Das ist so unangenehm. Niemand hört gerne: „Es geht mir NICHT gut“.

Online-Veranstaltungen bringen Vorteile wie zeitliche und örtliche Flexibilität mit sich. Ein daraus entstehender Nachteil kann aber auch die soziale Isolation sein. Der direkte Austausch mit Mitstudierenden ist häufig erschwert oder wird schlichtweg vergessen. Auch wenn der direkte Vergleich mit Mitstudierenden eventuell wegfällt, ist die positive Wirkung eines persönlichen Austauschs nicht zu vernachlässigen. Regelmäßige Austauschangebote vor oder nach Online-Veranstaltungen (auch ohne Anwesenheit der Lehrperson) können hilfreich sein.

Ich finde es wichtig, dass bei Gruppenarbeiten von den Lehrenden geschaut wird, dass alle einen Platz finden. Mich kostet es sehr viel Überwindung, mich bei jemanden zu melden oder in eine feste Gruppe zu gehen, die immer zusammen arbeiten. Mir würde es helfen, einfach zugeteilt zu werden.

In der Kommunikation zwischen Studierenden und Lehrenden gibt es häufig nur die Möglichkeit der Kontaktaufnahme per persönlicher Sprechstunde. Ein persönliches Gespräch oder ein Telefonat stellt Menschen mit sozialen Ängsten manchmal vor große Hürden. Eine breite Aufstellung in der Kontaktaufnahme (Mail, anonymes Kontaktformular, Feedback-Möglichkeiten, etc.) ermöglicht dennoch einen Austausch.

Wenn es mir schlecht geht, ist es einfach eine zu große Aufgabe, noch Kontakt mit Lehrenden aufzunehmen. Dann geht es halt wieder los: Die denken, du bist dumm. Das muss man doch schaffen. Die anderen fragen das auch nicht. Man muss auch Leistung bringen, um zu studieren. Deshalb hab ich mich oft gar nicht gemeldet. Rückblickend muss ich sagen, dass mir das geschadet hat. Viele Lehrende haben echt viel Verständnis – und haben mir geholfen, Lösungen zu finden. Jetzt bemühe ich mich, mich früher zu melden. Manchmal hilft es mir, mir dabei helfen zu lassen. Also wirklich mit jemanden zusammen eine Email zu schreiben oder mich zur Sprechstunde bringen zu lassen.

Erfahrungsbericht einer Studentin mit psychischer Erkrankung

Prüfungen

Da der Name “Behindertenbeauftragte” an vielen Hochschulen noch genutzt wird, wenden sich Studierende, die keine offiziell diagnostizierte Behinderung haben, aber in ihrem Studium dennoch Barrieren erfahren, nicht an diese Personen. Um einen Nachteilsausgleich beantragen zu können, müssen die Ansprechpersonen also klar benannt sein.

Ich habe genau sechs Semester gebraucht, bis ich mich getraut habe, mich an die Beauftragte für Studierende mit Behinderung zu wenden. Am Anfang dachte ich, dass die wegen des Namens.... also Behinderung... gar nicht für mich zuständig ist. Ich habe ja eine psychische Krankheit. Das ist ja keine Behinderung. Mittlerweile denke ich da aber anders. Denn die Krankheit beeinträchtigt mich stark. Und deshalb kann und darf ich auch die Hilfen der Hochschule in Anspruch nehmen. Das muss ich mir immer wieder selbst sagen. Außerdem war es viel bürokratischer Aufwand, bis das mit dem individuellen Studienverlauf geregelt war. Ich musste Atteste besorgen, zum Prüfungsamt, Formulare ausfüllen. Das ist anstrengend – gerade wenn man selbst ständig hinterfragt, ob man das überhaupt machen darf. Was mir wirklich geholfen hätte? Vielleicht, wenn ich Informationen früher gehabt hätte. Wenn ich gewusst hätte, dass ich mich an die Beauftragte wenden kann. Wo ich die finde und so.

Alex
Angststörung
Mitbewohner und Kommilitone
Alex

Und ich war über die Infos von Maxi dann sehr dankbar. Je nachdem, wie es mir gerade geht, habe ich nämlich mit Prüfungen echt Probleme und bekomme Panikattacken. Aber ich habe mit dem Nachteilsausgleich eine Zeitverlängerung bekommen, was mir sehr hilft. Sonst wäre ich schon ziemlich oft durchgefallen, obwohl ich ultra viel gelernt habe. Ich benötige die Zeit, um mich immer wieder zu beruhigen, um dann weiterschreiben zu können. Außerdem ist das Präsentieren vor einer Gruppe von Personen für mich eine riesige Herausforderung. Ich kann mich nicht auf den Inhalt konzentrieren und bin komplett gelähmt. Hier hilft mir sehr, wenn ich ein alternatives Prüfungsformat nutzen kann.

Selbstcheck Barrierefreiheit

Hier finden Sie eine Checkliste, um zu überprüfen, wie barrierefrei Ihre Lehre bereits ist.

1 von 7 Tipps werden umgesetzt

Erkennst Du Dich selbst oder jemanden aus Deinem Umfeld in den geschilderten Situationen wieder oder benötigst Du Unterstützung? Die Telefonseelsorge unter 0800 111 0111 und 0800 111 0222 ist rund um die Uhr erreichbar, anonym und kostenlos. Alternativ steht Dir ein Chat unter Onlineseelsorge zur Verfügung. Wenn Du in einem anderen Land wohnst oder in einer anderen Sprache kommunizieren möchtest, findest Du auf der Webseite der Telefonseelsorge eine Liste internationaler Hilfestellen .

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