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Servus, mein Name ist Oliver, ich bin 31 Jahre alt und lebe und studiere seit 4 Jahren in
Würzburg. Ich liebe es, zu kochen – am liebsten Mexikanisch - und Musik zu machen, vor allem für
und mit meinen Freunden. Ich habe mich für die Uni Würzburg entschieden, weil ich hier
Lebensmittelchemie studieren kann und außerdem nicht darum kämpfen muss, dass man mich als
Studierender mit LRS und ADHS ernst nimmt.
Man kann sich LRS so vorstellen: Wenn ich schreibe, ist es, als ob ich jedes Wort das erste Mal
in meinem Leben sehen und schreiben würde. Erinnere dich einfach mal an die Zeit, als du
Schreiben gelernt hast und wie lange es gedauert hat, um ein Wort aus deinem Kopf auf Papier zu
bringen. Das dauert ewig! Daher schreibe ich nur, wenn ich muss und diktiere mir meine Gedanken
und Notizen immer.
Technologien und Strategien
Unterstützungssoftware: Lesen
Für Studierende mitLese-Rechtschreib-Störungkann es hilfreich sein, sich Texte vorlesen zu lassen. Denn bei ihnen ist das
sinnentnehmende Lesen erschwert. Das Umwandeln von Buchstaben in sinnhaften Inhalt dauert
unter Umständen länger und kann mit viel Anstrengung verbunden sein. Um beispielsweise Texte
zu lesen, die als Foto gespeichert wurden, kann eine Bild-zu-Text-Software – sogenannte
OCR-Software – genutzt werden, um sich dann den Text vorlesen zu lassen.
Unterstützungssoftware: Schreiben
Neben Schwierigkeiten beim sinnentnehmenden Lesen kann auch die Rechtschreibung, die
Zeichensetzung, das Anfertigen von schriftlichen Texten in kurzer Zeit oder auch das Eingeben
von Zahlen und Codes eine Hürde darstellen. Mithilfe von Schreibprogrammen mit automatischer
Rechtschreib- und Grammatikprüfung können Studierende mit LRS unterstützt werden, um sich auf
die inhaltliche Ebene konzentrieren zu können. Und mithilfe von Diktiersoftware (TTS) können
Notizen schnell verfasst werden, ohne selbst schreiben und sich auf Rechtschreibung
konzentrieren zu müssen.
Energiemanagement
Auch das regelmäßige Einlegen von Pausen, um beispielsweise das visuelle „Verschwimmen“ von
Buchstaben zu vermeiden, kann eine Strategie für Studierende mit Legasthenie sein.
Studienorganisation
LRS und AD(H)S können sich auch auf die Selbstorganisation im Studium auswirken. Deshalb kann
eine Unterstützung durch Studienbüros, Support-Zentren oder Study-Buddy-Programme an
Hochschulen für Studierende mit ADHS eine sinnvolle Strategie zur Organisation des Studiums
sein.
LRS und ADHS
Die Diagnosen LRS und AD(H)S treten nicht selten gemeinsam auf. ADHS ist die Abkürzung für
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Symptome von ADHS können unter anderem
fehlende Filter für relevante Informationen und eine starke Ablenkbarkeit durch verschiedene
Reize sein. Für weitere Informationen zu Strategien bei ADHS:
Ich stoße schon bei der Anmeldung auf der Homepage der Uni auf die erste Hürde. Das Einloggen
mit Codes oder Kennwörtern ist für mich richtig schwer, weil die Buchstaben immer wieder zu
einem Brei verschwimmen. Ich weiß nicht, wie oft ich schon diverse Support-Center kontaktieren
musste, weil ich meine Passwörter auf Webseiten mehrfach falsch eingegeben habe.
Ich nutze eine App, die mich beim Zeitmanagement etwas unterstützt. Sie blockiert beispielsweise
für eine gewisse Zeit andere Apps auf meinem Handy, von denen ich mich leicht ablenken lasse.
Außerdem kann ich mir damit einen Zeitplan fürs Lernen machen, damit ich nicht in Zeitnot komme.
Bei mir dauert halt alles länger. Das nervt mich selbst sehr, aber ich habe mir in den letzten
vier Jahren einige Strategien angeeignet, die mir schon helfen. Viele Strategien habe ich durch
andere Studierende mit ADHS und LRS gelernt. Wir haben hier eine kleine Gruppe an der Uni
Würzburg, in der wir uns immer wieder austauschen können.
Ich nehme seit ein paar Jahren Medikamente, die mir helfen, mein ADHS-Gehirn etwas zu ordnen.
Das tun die auch echt gut. Aber sie haben halt trotzdem auch Nebenwirkungen und machen mich oft
recht müde. Seit ein paar Semestern gibt es einen Ruheraum an der Uni mit bequemen Stühlen und
wenig Ablenkung. Da chille ich sehr gerne zwischen den Vorlesungen.
Fakten und Zahlen
3,7% der Studierenden haben eine Teilleistungsstörung (=Legasthenie oder Dyskalkulie)
Da das sinnentnehmende Lesen für viele Studierende mit LRS erschwert oder verlangsamt ist,
kann deren Gedächtnis sehr gut auf das Aufnehmen auditiver Inhalte trainiert sein. Trotzdem
ist es in Veranstaltungen häufig notwendig, sich schnell und knapp Notizen machen zu können.
Dafür können Studierende mit LRS, die einen Nachteilsausgleich beantragt haben, beispielsweise
durch eine Mitschreibassistenz unterstützt werden. Außerdem kann die Aufzeichnung einer
Veranstaltung - ob durch die Dozierenden selbst oder in Absprache mit den Dozierenden durch
die Studentin oder den Studenten - hilfreich sein, um die Inhalte erneut anzuhören oder sie in
eine Textdatei umzuwandeln. Werden in digital stattfindenden Veranstaltungen Untertitel
verwendet, kann aus diesen ein Transkript erstellt werden, welches wiederum vorgelesen oder
zur Nachbereitung verwendet werden kann.
Asynchron zur Verfügung gestellte Aufnahmen von Veranstaltungen oder Lernvideos geben den
Studierenden mit LRS und ADHS die Möglichkeit, nach eigenem Lese- und Lerntempo arbeiten und
individuell Pausen einbauen zu können.
Ich komme mittlerweile in den Vorlesungen ganz gut mit. Das war leider nicht immer so und hat
mich schon viele Nerven gekostet. Es fällt mir häufig sehr schwer, in Vorlesungen nicht
gedanklich abzuschweifen oder auch Anweisungen im Labor bis zum Ende zuzuhören. Meine
Dozierenden und Mitstudierenden bekommen gar nicht mit, wie viel Zeit ich vor und nach der
Vorlesung investieren muss.
Die denken sicher, dass ich dumm bin und gar nichts verstanden habe, wenn sie meine Notizen sehen. Ich muss die Notizen auf jeden Fall noch bearbeiten bevor ich sie weitergebe!
Lernmaterial
Aufwendig und visuell „spannend“ gestaltete Texte, die ggf. noch durch zwischengeschaltete
Anzeigen unterbrochen werden, oder aufwendig formulierte Aufgabenstellungen, bedeuten für
Studierende mit LRS einen hohen Zeit- und Energieaufwand. Um diesen Zeitaufwand etwas zu
senken, können beispielsweise Vorleseprogramme genutzt werden. Sind Dokumente barrierefrei
konzipiert, kann mithilfe von Vorlesesoftware das Geschriebene in unterschiedlichen
Geschwindigkeitsstufen wiedergegeben werden. Dafür ist es wichtig, dass es sich um qualitativ
hochwertige Scans handelt, die nicht als Bild-Datei, sondern als Word, PowerPoint oder
PDF-Datei gespeichert wurden.
Eine klare und verständliche Ausdrucksweise bei Aufgabenstellungen, ohne unnötig lange und
verschachtelte Sätze, kann Studierenden mit Legasthenie helfen, die Inhalte einfacher zu
entnehmen. Gerade in Prüfungssituationen kann das zusätzlichen Stress verhindern.
Interaktion und Kommunikation
Studierende mit LRS oder ADHS haben, wie bei anderen Studierenden mit Beeinträchtigungen auch,
häufig mit Vorurteilen zu kämpfen. Viele Studierende haben sich im Studium verschiedene
Strategien angeeignet, sodass die Auswirkungen von LRS oder ADHS für Außenstehende kaum oder
nicht sichtbar sind. Daher werden die Studierenden eventuell nicht ernst genommen, wenn sie
beispielsweise bei Kommiliton*innen oder ihren Dozierenden um Unterstützung bitten. Außerdem
scheinen Schwierigkeiten im Schreiben und Lesen oder im Strukturieren des (Studien-)Alltags
häufig mit dem Vorurteil von verminderten intellektuellen Fähigkeiten verbunden. Wie andere
Studierende mit „nicht sichtbaren“ Beeinträchtigungen ist daher viel Aufklärung des Umfelds
nötig.
Ich lerne gerne mit den anderen zusammen. Wir haben eine feste Lerngruppe, die sich regelmäßig
trifft und die wissen auch alle über LRS und ADHS Bescheid. Am Anfang hatte ich etwas Sorgen,
dass ich nicht so viel in der Gruppe beisteuern kann, weil meine Notizen häufig sehr wirr und
unleserlich waren. Da ich aber viel Zeit in die Vor- und Nachbereitung der Veranstaltungen
stecke – weil ich‘s halt muss – kann ich Themen meistens recht gut zusammenfassen und erklären!
Prüfungen
Prüfungsphasen können für Studierende mit LRS sehr belastend sein, da viele Lerninhalte
innerhalb kürzester Zeit aufgenommen und verarbeitet werden müssen.
Mithilfe von Nachteilsausgleichen können Studierende mit LRS oder ADHS unterstützt werden.
Diese können beispielsweise eine Zeitzugabe für die Abgabe von schriftlichen Ausarbeitungen
oder einen separaten Raum, um Ablenkungen zu reduzieren, beinhalten. Außerdem können mündliche
Prüfungen oder schriftliche Prüfungen mit Multiple-Choice-Antworten helfen, den Stress, der
durch die Anforderung des schnellen, grammatikalisch korrekten Schreibens entsteht, etwas
reduzieren. Sind schriftliche Antworten benötigt, können diese am Laptop mit eingeschalteter
Rechtschreibprüfung verfasst werden. In manchen Nachteilsausgleichen kann auch festgehalten
werden, dass eine korrekte Rechtschreibung nicht in die Bewertung der Prüfung einbezogen wird.
Wichtig
Bei der Beantragung des Nachteilsausgleichs ist jedoch zu beachten, dass hier die
Legasthenie als psychische oder seelische Erkrankung eingestuft wird. Dies ist aus Sicht der
Betroffenen oft nicht zutreffend, da eine Legasthenie zwar mit psychischen Problemen und
Stigmatisierung einhergehen kann, jedoch nicht bei allen Legastheniker*innen zu einer
psychischen Erkrankung führt. Es kann den Studierenden daher schwerfallen, sich als
psychisch krank einstufen zu lassen, um den Nachteilsausgleich zu erhalten.
Ich, Oliver, wollte schon immer mal sagen:
Vorderseite
Ich habe nicht zu wenig geübt!
Rückseite
LRS hat neurologische Ursachen und hat nichts mit mangelndem Fleiß zu tun!
Selbstcheck Barrierefreiheit
Hier finden Sie eine Checkliste, um zu überprüfen, wie barrierefrei Ihre Lehre bereits ist.